Katja Mast im PZ-Interview: "Ich halte es für mehr als schwierig, was CDU und CSU jetzt drei Wochen lang gemacht haben."

Veröffentlicht am 07.07.2018 in Bundespolitik

PZ: Frau Mast, vor drei Jahren hat die SPD Transitzentren rundweg abgelehnt. Jetzt hat sie Transferzentren zugestimmt. Transit – Transfer: Ist das nicht nur Wortklauberei?

Katja Mast: Wir haben jetzt ein Verfahren für fünf Flüchtlinge am Tag an insgesamt drei Grenzübergängen zu Österreich beschlossen. Sie sollen dort für maximal 48 Stunden in Räumen der Bundespolizei aufgenommen werden. Damals ging es darum, geschlossene Lager in Grenznähe neu aufzubauen, in denen 40 000 Menschen unterkommen sollten. Dazu wäre eine Gesetzesänderung notwendig gewesen, was jetzt nicht der Fall ist.

Wie ist die Größenordnung von fünf Flüchtlingen pro Tag angesichts der mehrwöchigen Unions- und Koalitionskrise, die dadurch ausgelöst wurde, der Bevölkerung vermittelbar?

Ich halte es für mehr als schwierig, was CDU und CSU jetzt drei Wochen lang gemacht haben. Sie haben ja nicht nur eine Koalitionskrise und eine Parteischwesterkrise herbeigeführt, sondern vor allem jeden einzelnen Bürger in Deutschland und in ganz Europa in Mithaftung genommen. Deshalb bin ich froh, dass es Olaf Scholz und Andrea Nahles gelungen ist, die Koalition wieder zur Sacharbeit zurück zu bringen.

Apropos Sacharbeit: Die inhaltlichen Erfolge, die die SPD für sich ja auch dieses Mal wieder – Stichwort Einwanderungsgesetz – verbuchen kann, schlagen sich in der Wählergunst nicht nieder. Brüllen die Genossen zu leise?

Ich habe in den vielen Jahren meiner politischen Arbeit gelernt, dass nicht jede Umfrage das ist, was am Ende rauskommt.

Dennoch ist es bemerkenswert, dass die SPD von dem landauf, landab als unsäglich bewerteten Unionsstreit in keinster Weise profitieren kann. Sie verharrt in Umfragen bei 18 Prozentpunkten. Woran liegt das?

Die SPD hat bei diesem Konflikt gezeigt, dass man zusammenstehen muss, wenn es darum geht, gute Politik für Deutschland zu machen. Wir führen keine öffentlichen Debatten um innerparteiliche Diskussionen. Wir tauschen uns nicht über die Presse aus, sondern versammeln uns hinter der Linie der Parteiführung und des Vizekanzlers. Dadurch wird die Wahrnehmung, wofür die SPD steht, gestärkt. Es ist wichtig, dass wir als SPD immer wieder klarmachen, dass wir uns um die Alltagssorgen und -probleme der Menschen kümmern: Rente, Lohn, Pflege, Kitas. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch in der Öffentlichkeit in die Konflikte über genau diese Themen gehen, damit wahrnehmbar ist, wo wir überhaupt Politik gestalten.

Trotz der bundespolitischen Einigung: Wie wertvoll ist sie, wenn der nun beschlossenen Abweisung der bereits in einem anderen Land registrierten Flüchtlinge keine Rückführung folgen kann? Österreich und Italien wollen die Menschen nicht aufnehmen.

Jetzt ist das Verhandlungsgeschick von Bundesinnenminister Horst Seehofer gefragt ...

... der aber die Verantwortung dafür schon in die nächst höhere Etage weitergegeben hat, indem er sagte: Die bilateralen Abkommen seien so komplex, dass sie auf Staats- und Regierungschef-Ebene geschlossen werden müssten.

Horst Seehofer hat als Fachminister zuerst mal alle Karten in der Hand. Er hat die personelle Ausstattung dafür und er hat die Verantwortung, übrigens auch für die Abschiebung von Gefährdern. Das muss alles in seinem Ministerium gebündelt werden. Nach den anstrengenden Wochen, in denen die Demokratie auch ein stückweit Schaden genommen hat, ist es jetzt wichtig, dass er in Demut zeigt, dass er diese Aufgaben lösen kann.

Auch die im Fünf-Punkte-Plan der SPD geforderte bessere Verteilung der Flüchtlinge auf andere EU-Staaten dürfte sich schwierig gestalten. Ungarns Ministerpräsident Victor Orban hat erst am Donnerstag wieder unmissverständlich deutlich gemacht, dass sein Land niemanden aufnehmen wird.

Gerade Horst Seehofer hat, wie er auch schon mehrfach öffentlich dokumentiert hat, hervorragende Beziehungen zu Herrn Orban und ich freue mich, wenn er das für die ganze Bundesrepublik auch nutzt.

 

PZ-Interview vom 07.07.2018
mit Katja Mast MdB
Stv. Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion

 

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